Gernot Hilliger - Vorgeschichte

Gernot Hilliger vor seiner politischen Haft in der DDR.

Gero Hilliger als junger NVA-Soldat 1963 wenige Monate vor seiner Verhaftung
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Ich wurde 1964 in der DDR zunächst wegen versuchter Fahnenflucht zu 2 Jahren Zuchthaus verurteilt. Nach 6 Monaten Haft gelang mir am 12. Dezember 1964 ein abenteuerlicher Ausbruch aus dem Gefängnis, der allerdings von meinem Freund und Mitgefangenen
Armin Gawel aus Schwerin, verraten wurde, siehe Anlage 3 - 5.

Nach meiner erneuten Inhaftierung kam ich in die Stasi-Untersuchungshaft nach Berlin. Noch in der Annahme, dass der Verräter Gawel mein Freund war, machte ich über ihn begünstigende Aussagen, die dann zu seiner vorzeitigen Haftentlassung führten. Erst später erfuhr ich von seinem Verrat.

Mein Freiheitswille war ungebrochen und ich plante in der U-Haft erneut einen Ausbruchsversuch. Ich wurde dann, naiv und arglos, wie ich damals war, von dem Mithäftling und Stasi-Spitzel
Horst Grell aus Berlin überredet, in der Stasi-Haftanstalt einen Kassiber an die CIA zu schreiben, den er mir teilweise diktierte. Dieser Kassiber enthielt meine, aus heutiger Sicht, einfältige Bitte, mich aus der Stasi-Haftanstalt zu befreien. Der Spitzel Horst Grell hatte diese perfide Aktion geplant, um sich Haftvorteile zu verschaffen. Bei seiner nächsten Vernehmung am 13. Januar 1965 übergab Horst Grell meinen Kassiber dem Stasi-Vernehmer und gab dazu eine schriftliche Erklärung ab, siehe Anlage 6. Wieder wurde ich verraten von jemandem, dem ich vertraut hatte.

Durch diesen Verrat wurde ich wegen versuchter Spionage zusätzlich zu 3 Jahren und 6 Monaten Zuchthaus verurteilt. Die Gesamtstrafe betrug nun 5 Jahre und 6 Monate Zuchthaus. Der Verräter
Horst Grell, gelernter Stuckateur, wohnhaft Berlin-Treptow, Kiefholzstrasse 17, wurde nie für sein Verbrechen verurteilt.

Nach meiner Verurteilung kam ich in das Stasi-Gefängnis in Berlin-Hohenschönhausen, wo ich über ein Jahr lang in dem berüchtigten unterirdischen U-Boot arbeiten musste. Dort verriet der Mithäftling
Albert Höhn mich an die Stasi, weil ich einen Schlüssel gefeilt hatte, um wiederum einen Ausbruch aus der Haft zu versuchen. Daraufhin wurde ich in das Zuchthaus Brandenburg strafversetzt, wo ich in den letzten 18 Monaten in Einzelhaft saß.


Illustrationen über meine Verurteilung und Haftsituation in dem Buch Ich will hier raus von Siegmar Faust
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Eines Nachts wurde ich abgeholt und zum Stasi-Offizier gebracht. Dieser erklärte mir, dass er mich hätte beobachten lassen und zu dem Schluss gekommen wäre, dass ich zwar ein uneinsichtiger, aber ehrlicher Häftling sei, dem er vertrauen würde. Er wollte mich dafür gewinnen, objektive Berichte über einige Zuchthauswärter abzugeben, die einem Gefangenen ein Auge ausgeschlagen hatten. Ich antwortete ihm folgendes: "Sie wissen, dass ich bereits 4 Jahre unschuldig im Zuchthaus sitze und unter schwersten Bedingungen meine aufrechte Gesinnung bewahrt habe. Jeder Mörder und Sittenstrolch im Zuchthaus verachtet die Stasi-Spitzel und Sie wollen nun, dass ich zu denen gehöre. Ich werde meine Selbstachtung nicht verlieren und aufrecht aus dem Zuchthaus gehen." Der Stasi-Offizier stand auf, gab mir die Hand und sagte: "Sie sind bisher der einzige Häftling, der Charakter hat." Mit einer achtungsvollen Geste entließ er mich aus dem Gespräch.

In den letzten 6 Monaten der Haft wurde ich sehr krank, da die Zelle auch im Winter eiskalt war. Ich bekam schwere Depressionen, Magengeschwüre, Kreislaufbeschwerden usw. Eine ärztliche Behandlung gab es nicht. In meiner Not bat ich meine Eltern um Hilfe. Sie schrieben eine Haftbeschwerde an die Staatsanwaltschaft. Daraufhin bekam ich Besuch von einem Staatsanwalt, der mir erklärte, er wisse, dass ich unter Verbrechern im Zuchthaus sitze und leide, aber ich müsste mindestens zwei Drittel der Haftstrafe absitzen und er könne mir auch nicht helfen.

Meine Depressionen steigerten sich bis zu Suizidabsichten, als der einzige Freund, Bernd Breuer, den ich immer beim Hofgang am Fenster sprechen konnte, durch mehrere Zuchthauswärter zu Tode geprügelt wurde. Befohlen wurde der Mord von dem berüchtigten Anstaltsleiter Oberst Ackermann, der sich darüber geärgert hatte, dass Breuer in seiner Einzel-Zelle gesungen hatte und trotzdem immer noch weiter sang, als Ackermann ihm das verboten hatte. Für dieses Verbrechen, sowie für viele andere Verletzungen der Menschenrechte wurde nach der Wende niemand verurteilt.

Im Oktober 1968 wurde ich aus dem Zuchthaus Brandenburg nach Ost-Berlin entlassen, nachdem ich 4 Jahre und 4 Monate unschuldig verbüßt hatte.

In den folgenden Jahren kämpfte ich vergeblich um meine Rehabilitierung. Ein Vertreter des Generalstaatsanwaltes erklärte mir lediglich, dass ich "Pech" gehabt hätte aber dass ich nach den neuen Gesetzen der DDR gar nicht mehr verurteilt würde. Er könne mir aber nicht helfen, da es in der DDR keine Rehabilitierung von politischen Gefangenen gäbe, weil es auch keine Unrechtsurteile gegeben hätte.

Daraufhin stellte ich einen provokanten Antrag auf Ausreise an den Ministerpräsidenten der DDR Willi Stoph, siehe
Anlage 7 - 11. Im Ergebnis dessen wurde ich schließlich 1974 aus der DDR nach West-Berlin entlassen. Hier wurde ich dann offiziell laut Gerichtsbeschluss rehabilitiert, siehe Anlage 12 - 13.

In West-Berlin arbeitete ich seit 1978 als freiberuflicher Grafiker und Karikaturist. Über einen langen Zeitraum hielt ich nebenberuflich Vorträge als Referent am Institut für Gesamtdeutsche Bildungsarbeit in Berlin über das Feindbild der DDR, die Menschenrechtsverletzungen der DDR und über meine politische Haft in der DDR.

Die Junge Union Berlin beauftragte mich seit Mitte der 70er Jahre, politische Plakate und Grafiken gegen die DDR zu gestalten. Eine Folge davon war, dass mir die Einreise in die DDR und auch der Transit nach Polen, wo ich meine Verlobte Kristina aus Ost-Berlin treffen wollte, nicht mehr gestattet wurde.

Gernot Hilliger winkt seinen Eltern an der DDR-Grenze.

Foto von meinen Eltern und meiner Verlobten an der Berliner Grenze nach meinem Transitverbot.
Sie wurden von einem DDR-Grenzposten kontrolliert, weil sie mir über die Mauer hinweg zugewinkt hatten.

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In meiner Wut und Verzweiflung drohte ich am Telefon im Gespräch mit meiner Verlobten Gewaltakte gegen die Mauer an, wovon die Stasi Kenntnis erhielt, weil alle Telefonate abgehört wurden. Um mich zu neutralisieren und meine feindlichen Aktivitäten zu unterbinden, wurde mir schließlich die Einreise in die DDR gestattet, was im Wesentlichen durch die MfS-Kreisdienststelle Fürstenwalde organisiert wurde. In diesem Zusammenhang lernte ich 1977 deren Leiter Adolf Storch kennen.

Dieser erwies sich in der Folgezeit als verständnisvoller Freund, der mich zu keinem Zeitpunkt als Inoffiziellen Mitarbeiter (IM) gewinnen wollte. Ich habe in den vielen gemeinsamen Treffen mit meiner Verlobten und mit Storch immer wieder darauf hingewiesen, dass ich niemals für das MfS arbeiten würde und ich nur meine Rehabilitierung vom MfS verlange. Dies steht auch in den Stasi-Akten und wurde auch ausdrücklich in meinem Gerichtsurteil 1996 festgestellt.

Adolf Storch war durch die Kenntnis meiner Lebenssituation sehr besorgt um mich und fragte bei jedem Besuch, wie es mir geht und wie ich beruflich vorankomme. Ich erzählte über meine beruflichen Erfolge und später habe ich auch über Erlebnisse mit Bekannten gesprochen. Dies führte zu dem späteren Vorwurf der Agententätigkeit. Die freundschaftliche Beziehung zu Storch bot mir Sicherheit gegenüber den geplanten Repressalien der Stasi, so dass ich auch weiterhin meine DDR-feindlichen Aktivitäten trotz massiver Kritik von Storch fortsetzen konnte. Er berichtete mir gelegentlich, wie seine Vorgesetzten feindselig über mich sprachen und mich als Provokateur bezeichneten. Storch riskierte viel für mich und das war auch die Basis für mein Vertrauen zu ihm. Erstmals lernte ich einen Menschen kennen, der mir zuhören konnte, mir wohlgesinnt war und der mich ehrlich vor meinen Feinden beschützte.

Bei der damaligen Durchsicht der Stasi-Akten im Vorfeld der Gerichtsverhandlung habe ich festgestellt, dass viele mir zugeschriebene Informationen aus anderen Quellen der Stasi oder aus abgehörten Telefonaten stammten. Deshalb ist es unzulässig, allein aufgrund dieser Akten mein wirkliches Handeln zu beurteilen. Allerdings ist die von der Stasi 1986 vorgenommene
Zusammenfassende Einschätzung der Entwicklung und des Standes des IMB-Vorganges Brunnen“ relativ sachlich geschrieben.

Original-Dokumente mit Einschätzungen meiner Person durch die Stasi

Auszug aus der “Zusammenfassenden Einschätzung der Entwicklung und des Standes des IMB-Vorganges Brunnen, siehe Anlage 14,

Gero Hilliger. Einschätzung der Stasi.

Gero Hilliger. Stasi - Beurteilung.

Auszug aus “Beurteilung” Reg.-Nr. V 685/77

Gero Hilliger lehnt Stasi-Mitarbeit ab.

Das Gericht betonte am Ende der Verhandlung, dass ich zwar moralisch unschuldig sei, nicht aber juristisch. Dies wurde so begründet, dass allein der jahrelange Kontakt zu einem MfS-Offizier ausgereicht hätte, um wegen geheimdienstlicher Agententätigkeit angeklagt zu werden, auch wenn man nur über das Wetter gesprochen hätte. Im Ergebnis der Urteilsfindung erhielt ich schließlich eine Bewährungsstrafe von einem Jahr.

Seit meiner Übersiedlung 1974 nach West-Berlin habe ich ohne fremde Hilfe eine geachtete berufliche Entwicklung genommen.
Insgesamt habe ich 10 anerkannte Weltrekorde im Portrait-Schnellzeichnen aufgestellt und bisher 63 Auftritte in deutschen und internationalen Fernsehsendungen gehabt. In vielen Presseartikeln wurde über meine Rekorde und über meine Person positiv berichtet, siehe
Anlage 15 - 17.

Ich geniesse heute noch, auch nach den diffamierenden Zeitungsberichten, die Freundschaft vieler Prominenter und Freunde, die mich, meinen Charakter und mein Leben besser kennen als es die Skandalpresse dargestellt hat.